Sagen aus dem Böhmerwald

von Ferdinand Lauseker aus München

 

Die alte Linde bei Unterhaid (Südböhmen)

 

Vor vielen Jahren kehrte ein Soldat aus Italien, wo er lange gedient hatte, in seinen Heimatort Wellenschin zurück und berichtete, dass er in der Nähe von Rom einen alten Einsiedler getroffen haben, der ihn fragte, ob in der Nähe von Unterhaid an der Landstraße noch eine Linde stehe. Als dies der Soldat verneinte, wurde der Greis traurig und sprach: "Aber doch wohl noch ihr Stock?. Diese Linde war oft Zeuge blutiger Schandtaten. Denn wisse, dass ich in meinen jungen Jahren unter Räubern lebte, deren Schlupfwinkel die Ruine Lauseck bei Kaplitz war. Ein langer unterirdischer Gang, der bei dieser Linde ausmündete, war unser Versteck. Am Ausgang hing eine Glocke, von welcher jede Nacht ein Drahtseil über die Straße gespannt wurde, um uns die daran streifenden Reisenden zu verraten. Mancher sank vom Mordstahl durchbohrt unter jener Linde nieder und sein Leichnam wurde dann in die unterirdischen Gewölbe der Ruine geschleppt, wo er vermoderte. Als die Gerichte auf die Spur kamen, flohen wir in alle Welten, ohne dass wir unsere Schätze hätten mitnehmen können. Nun übe ich hier schon fünfzig Jahre lang harte Buße für mein damaliges Verabrecherleben. Ich bitte dich, lieber Landsmann, suche daheim den Strunk der Linde auf  und versuche durch den Gang vorzudringen. Du wirst auf reiche Schätze stoßen. Führe einen Teil davon frommen Zwecken zu, damit auf diese Weise meine Schuld eine kleine Sühne findet!"

Dies berichtete der Soldat und machte sich gleich auch daran, mit Hilfe anderer Leute die Schätze zu suchen. Doch alle Nachforschungen waren vergebens und in Zukunft wird nur der den Schatz heben können, welcher in der Heiligen Nacht während der Geisterstunde schweigend und still betend nachgräbt.

 

 

Die Ruine Lauseck bei Kaplitz

 

Zwischen Kaplitz und Unterhaid erbebt sich auf einem steilen Felsen des linken Maltschufers die Ruine Lauseck. Der letzte Besitzer des Schlosses, dass damals Hradeck hieß, war ein ungemein böser und harter Mann, der mit seinen Nachbarn in stetem Zank und Hader lebte und gegen seine Untergebenen grob und grausam war. Einst kehrte ein Pilger mit grauen Haaren auf seiner Rückkehr vom Heiligen Grab auf der Burg ein. Als er das wilde Treiben des Ritters tadelte, ließ ihn dieser in das Burgverlies werfen und dort unter Schlangen und Molchen verderben. Da sprach der Fromme einen furchtbaren Fluch über den wüsten Frevel aus. Kaum war der Pilger verschieden, da begann es  in dem ganzen Schloss von dem ekelhaftesten Gewürm zu wimmeln. Alle Bewohner flohen mit Abscheu davon, nur der Burgherr blieb allein zurück, bis er endlich bei lebendigem Leib von den scheußlichen Würmern aufgezehrt wurde. Von dieser Zeit an  wurde die Burg, in der auch allerlei Spukgestalten ihr Wesen trieben, von  jedermann gemieden und verfiel bald. Den traurigen Resten gab man den Namen Lauseck.

 

 

 Auf ein Jahr verschwunden

 

Zwischen Kapltiz und Unterhaid erhebt sich auf einem steilen Felsen des linken Maltschufers die Ruine Lauseck. Unweit davon steht der stattliche Lausekerhof. In diesem feierte man vor Jahren einmal das Weihnachtsfest. Als alle Hausleute beim Mahl saßen, gab es plötzlich  im Hof einen lauten Lärm unter der Schweineherde. Der Hausherr meinte, der Hirt habe die Tiere einzusperren vergessen. Er schalt den Hütjungen und befahl ihm, sofort im Hof Ordnung zu machen. Als der Knabe hinauskam, lief eben die ganze Herde, deren Stall unerklärlicherweise offen stand, zum ebenfalls offenen Haustor hinaus ins Freie. Der Hausherr konnte durch das Fenster sehen, dass auch der Knabe bei dem hellen Mondschein hinter der Herde drein lief.

Man wartete und wartete. Aber weder der Knabe noch die Tiere kamen zurück. In den nächsten Tagen forschte man überall nach, konnte aber nirgends etwas über die spurlos Verschwundenen erfahren.

Im nächsten Jahr saß man wieder am Weihnachtsabend beim Mahl und dachte an das vor einem Jahr Geschehene. Da hörte man wieder den gleichen Lärm im Hof. Alle eilten erschrocken zu den Fenstern und sah den vermissten Hirten, der eben die Herde in den Hof trieb. Gleich darauf trat er in die Stube und setzte sich, als ob nichts geschehen wäre, an seinen gewohnten Platz am Tisch. In sprachlosem Staunen  starrten alle auf den Ankömmling. Endlich sagte dann der Hausherr: "Bub. wo bist du  denn so lang gewesen?"

Der aber erzählte ganz unbefangen: "Die Schweine sind beim Hoftor hinausgelaufen und haben sich in den Kellern der Ruine so verkrochen, dass es ein schweres Stück Arbeit war, sie wieder herauszukriegen. Mir vieler Mühe ist es mir endlich gelungen und ich bin jetzt froh, dass ich sie wieder alle im Stall habe und in Ruhe essen kann!"   

Groß war die Verwunderung der Zuhörer über diesen Bericht, noch größer aber die des Hirtenknaben, als er vernahm, dass er ein volles Jahr abwesend war.

 

 

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Bei Anregungen/Fragen Mail an: Wolfgang Lausecker
(Letzte Änderung:15.07.2005)